Architektur im Raum der wirklichen und der virtuellen Welt
Foucault beschreibt die Zeit in der er lebt als Zeitalter des Raumes. Als ein Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Nahen und des Fernen, des aneinander Gesetzten, des Nebeneinander und gleichzeitig des Zerstreuten. Die Welt stellt ein Netz dar in der alles miteinander verknüpft und verbunden ist. Die Welt und deren Ereignisse sind durch bestimmte Punkte verbunden und kreuzen sich gelegentlich.
Doch wie versteht der Mensch heute den Raum oder wie nimmt er Bezug zu diesem in der realen Welt auf? Jeder Mensch eignet sich im Zuge seiner Laufbahn individuell dem Raum an. Der Raum zählt bei dem Menschen zu einer seiner sicheren Komponenten in seinem Lebens. Der Raum an sich war schließlich immer da. Jeder Mensch hat sich individuell und unbewusst Zeit nehmen können um, wie Foucault es beschreibt, sich mit dem Netz der Zeit zu verflechten. Da die Annäherung an das beschriebene Netz ein von Geburt an immer währender Prozess ist, geschieht die Verflechtung mit dem Netz unbewusst. Der Raum wird als selbstverständliche Komponente des Lebens wahrgenommen.
Die selbstverständliche Beziehung zwischen dem Menschen und dem Raum ist für den Architekten ein wichtiges Feld. Neue Architekturen müssen sich ebenfalls selbstverständlich anfühlen oder bewusst dagegen arbeiten. Besitzt ein Architekt das Verständnis dafür, kann er bewusst mit diesem Aspekt arbeiten. So vermittelt beispielsweise der Erweiterungsbau des jüdischen Museums in Berlin, entwickelt von Daniel Libeskind, bei den Besuchern ein eher bedrückendes, dunkles Gefühl. Der Raum greift die 2000-jährige Geschichte der Juden in Deutschland vom Mittelalter bis zur Gegenwart auf und macht diese für den Besucher spürbar und greifbar. Der zinkverkleidete Bau hat einen zickzackförmigen Grundriss, in der aufschreckenden Form eines gesprengten Davidstern, mit einigen wie zufällig eingelassenen Fensterschlitzen. Libeskind legte dem Grundriss ein “imaginäres Netz über, das Lebens- und Wohnorte prominenter jüdischer und nichtjüdischer Bürger Berlins verknüpft”. Die Besucher können die Schwingungen der Architektur und des geschaffenen Raumes spüren und könne mit allen Sinnen auf das Thema des Museums eingehen. Dem Raum und dem Gefühl kann man nicht entgehen, ob man will oder nicht. Der Mensch bewegt sich im Raum und dieser geht auf jedes einzelne Individuum ein. Der Raum an sich zeichnet sich jedoch nicht nur durch seine gegebene Architektur aus. Es befinden sich ebenfalls eine Vielzahl von Phänomenen und Objekten im Raum. Diese stehen in Wechselwirkung von sich selbst zu den anderen Objekten, zu dem Menschen und zu der Architektur selbst. Dadurch zeichnen sie sich aus. Diese auszeichnende Wechselwirkung wird ebenfalls von den jeweiligen Wahrnehmenden Individuen gelenkt. Der Mensch schafft einen individuellen Bezug zu den Dingen. Zu den Dingen, die sich außerhalb des eigenen Körpers befinden. Hier sind wieder verschiedene Faktoren entscheidend. Aus welchem Umfeld stammen die Menschen, wo liegt der Bildungsstand, wie liegen die individuellen Einstellungen zu bestimmten Themen oder wie hat sich der persönliche Geschmack entwickelt? All dies spielt bei der Wechselwirkung ebenfalls eine Rolle. So kann der gefühlte Raum von verschiedenen Individuen unterschiedlich wahrgenommen werden. Unterschiedlich kann auch der Sprachgebrauch und die jeweiligen Bedeutungen dazu gewählt oder verstanden werden. Festzuhalten ist, dass der Raum das Leben eines jeden Individuums stark beeinflusst und dieses ebenfalls stark bestimmt.
Sprechen wir von dem Raum so wird der Begriff häufig im geografischen, fassbaren Kontext angesprochen. Meistens wird der Raum um den Menschen herum angesprochen. Dieser ist dem Menschen im alltäglichen Gebrauch ja am greifbarsten. Er bestimmt unseren tagtäglichen Lebensraum, bewusst oder unbewusst.
Besonders für Gestalter kann es von Bedeutung sein sich dem Thema Raum zu nähern. Den umgebenden Raum zu verstehen macht das Verständnis für den Umgang mit dem virtuellen Raum leichter. Dieser nimmt in unserer heutigen Gesellschaft eine immer zentraler werdende Rolle ein und hat das Verständnis zum klassischen Raum verändert. Die Digitalisierung ist nicht mehr weg zu denken und ermöglicht uns einen Zugang zu einer Parallelwelt. In dieser Parallelwelt wird der Raum und seine Umgebung anders verstanden. In dieser Welt stehen sich Text und Bild gegenüber. Diese beiden Aspekte können auch als Architektur im virtuellen Raum verstanden werden. Die Aufgabe des Webdesigners (Architekten) ist es unter anderem den Text möglich elegant neben das Bild zu setzen. Oder umgekehrt. Text und Bild werden, laut Shapiro, immer näher aneinander angeglichen. Bis sie zu einer Sache verschmolzen sind. Der Text wird zum Bild und das Bild wird zum Text. So wird dies, laut Shapiro, im virtuellen Raum verstanden. Wir verlieren den Blick für die Eigenständigkeit von dem Text und dem Bild an sich. Shapiro vergleicht in diesem Falle die Struktur des Gehirns mit der einer Sprache. Text und Bild sind nicht das Gleiche. Wir setzten sie jedoch gleichwertig nebeneinander. Der Großteil von uns bildet sich ein die Struktur von Bild und Text im virtuellen Raum zu verstehen. Immerhin können wir den Text lesen und verstehen sowie das Bild sehen und beschreiben. Eine vollkommen naive Sicht, da wir nicht wirklich den Text und das Bild, sondern Code sehen. Den Versuch der Menschen die Dinge an sich zu verstehen sieht Baudrillard früher schon in der Architektur. Schauen wir Menschen in der realen Welt auf die Architektur, erklärt Baudrillard, möchten die Menschen das Gefühl haben diese auch zu verstehen. Ich schaue vertikal auf ein Haus und ich schaue horizontal auf eine Brücke. Was ich sehe und was ich verstehe sind: ein Haus und eine Brücke. Gute Architektur muss also einfach sein. Man muss ein Gefühl für den leeren Raum bekommen. Hier sieht er den Unterschied zwischen der guten und der eher schlechten Architektur. Architektur schafft radikale Illusion. Nämlich die Illusion diese zu verstehen. Die Technologie bedient den Menschen mit einer radikalen Illusion. Dies wird in seinem Aufsatz „Die Frage nach der Technik“ deutlich. Dieser Gedankengang wird ebenfalls in den virtuellen Raum übertragen. Ich schaue im world wide web auf ein Bild, also sehe ich ein Bild. Ich schaue auf einen Text, also lese ich einen Text. An dieser Stelle schleicht sich jedoch ein logische Denkfehler ein. Das Bild ist in der digitalen Welt ein virtuelles Konstrukt aus Code oder aus Befehlen, die es erst ermöglichen dieses Bild für den Betrachter darstellbar zu machen. Das Bild macht die Landschaft im world wide web schöner. Die Architektur macht die Landschaft in der wirklichen Welt schöner.
„Art should not be critical about society, it should be fun.“