Die Gottesanbeterin
Essay zum Thema Philosophie von Alissa Levytska
Frauen die versuchen, die Passivität die ihnen auferlegt wurde abzulehnen und selbst Kontrolle über ihr Leben zu erlangen, werden von der patriarchalen Gesellschaft immer noch schief angeschaut. Einer der vielen negativen Stereotypen die mit solchen Frauen in Verbindung gebracht werden ist die Gottesanbeterin. Dieses wenig schmeichelhafte Symbol bezieht sich auf die Gewohnheit des weiblichen Insekts ihre männlichen
Artgenossen nach dem Geschlechtsakt zu verschlingen.
Die zänkische, nörgelnde Frau, die Menschenfresserin welche zu viel vom Leben erwartet, ist ein tyrannische Liebhaberin welche dem Mann ihren Körper vorenthält um ihn zu bestrafen. Viele Frauen fürchten sich davor als zu aggressiv, als zu zielstrebig angesehen zu werden. Warum ist dieser Begriff der Feministin in der heutigen Gesellschaft so negativ konnotiert?
Feministinnen werden in den Medien als wütende, humorlose, militante weiße Frauen dargestellt. Sie haben unerschütterliche Prinzipien und feste Regeln welche besagen wieeine richtige Feministin zu sein hat. Sie sind karrierebesessen, hassen Männer und Sex, rasieren sich nicht und so weiter. Dies ist die zugespitzte Fehlwahrnehmung und das Bild des heutigen Feminismus welches sich durch diverse Informationsplattformen zieht. Der Begriff „Feministin“ ist zu einer Beleidigung geworden. Feministinnen sind nicht leidenschaftlich sondern wütend. Sie sprechen keine ernsten Probleme an sondern sind nur frustriert. Viele erfolgreiche Frauen distanzieren sich von der Frage des Feminismus.
Simone de Beauvoir untersucht in ihrem einflussreichsten Werk »Le deuxième sexe« die Position der Frau, ihre persönliche Freiheit, ihrer Stellung in der Gesellschaft, ihre Beziehung zu sich selbst und zu ihrer Umwelt aus biologischer, psychologischer und soziologischer Perspektive.
Beauvoir stellt fest, dass die Frau traditionell die Rolle der „anderen“ einnehmen muss. Sie ist im Gegensatz zu dem wichtigen Mann das unwichtige Geschlecht. Die Frau ist ein statisches, passives Wesen während der Mann aktiv, kreativ und produktiv ist. Er sieht die Frau als das Objekt. Sie hat einen Wert als sein Sexualpartner, jedoch nicht als eine unabhängige Einheit. Warum nimmt die Frau die zweite Position sowohl in der
Gesellschaft als auch in ihrem eigenem Denkmuster ein? De Beauvoir bezieht sich dabei auf Hegels Theorie, welche besagt, dass sich die Realität aus dem Zusammenspiel von zwei gegensätzlichen Kräften zusammensetzt. Das Selbstverständnis funktioniert ähnlich: um sich als Mensch selbst zu definieren, muss man auch das Andere definieren. „At the moment when man asserts himself as subject and free being, the idea of the Other arises. For every subject, there must be an object“.1 Diese Wechselbeziehung ist ein primärer Grundsatz des existentialistischen Denkens und verweist auf ein Grundproblem des männlichen Monopols auf Subjektivität.
Gemäß des männlichen Grundverständnis ergänzt die Frau den Mann, bleibt jedoch für sich alleine betrachtet unvollständig. Weil es für die Frau grundsätzlich unnatürlich ist in der Rolle des Objekts zu leben, ist sie hin und her gerissen zwischen der Aufgabe ihre historische Rolle der „Anderen“ akzeptieren zu müssen und dabei einen großen Teil ihrer Menschlichkeit und ihrer Forderung an die Freiheit zu leugnen.
De Beauvoir stellt einen interessanten Punkt heraus: Frauen vereinen in sich die Fähigkeit zur Reproduktion und Produktion, sie wurden jedoch im Laufe der Geschichte nur auf die Reproduktion beschränkt. Ihr Leben war eine ununterbrochene Abfolge von Schwangerschaften und ihr einziger Beitrag für die Gesellschaft beschränkte sich auf ihre Gebärmutter.
Zwei zentrale Punkte in De Beauvoirs Schriften sind „the eternal feminine“ und „the vague and basic essence, femininity.“ Diese beiden Mythen nehmen viele Formen an: die Heiligkeit der Mutter, die Reinheit der Jungfrau, die Fruchtbarkeit der Erde und der Gebärmutter. Diese unerfüllbaren Ideale tragen zur Unfreiheit der Frau bei. Den Begriff des „eternal feminine“ – „das ewig Weibliche“ benutzt De Beauvoir, um die verstörenden Prozesse der Fruchtbarkeit, Reproduktion und Geburt und die damit einhergehende Unausweichlichkeit des Todes zu beschreiben. Die Situation des Individuums in einem absurden und sinnlosem Universum.
Der Mann habe im laufe der Geschichte der Menschheit alle geheimnisvollen Vorgänge des Lebens – die ständige Erinnerung an den Tod welche ihn verwirrte und ihm Angst einflößte an die Frau gekoppelt. De Beauvoir stellte fest, dass es weder das „ewig Weibliche“ noch das „ewig Männliche“ gibt. Es gibt kein Wesen oder Mythos, sondern nur die menschliche Erfahrung. Alle Menschen haben das Recht ihre eigene Existenz zu definieren, anstatt sich hinter vagen Begriffen wie „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ zu verstecken.
Mit der Emanzipation gelang es der Frau zwar sich in der Arbeitswelt zu etablieren, dennoch müssen sie jetzt die Last der Arbeit und der Familie zugleich meistern und beidem gerecht werden. Es müsste eine Umstrukturierung der Kernfamilie geben, sodass die Frau entlastet werden kann. Viel wichtiger sei es für Sie jedoch in “totality of human reality”2 – also in die Gesamtheit der menschlichen Wirklichkeit integriert zu werden, um ein gleichwertiger Partner zu dem Mann zu werden.
Heute beschreibt der Begriff „Frau“ mehr als die Durchschnittsfrau von damals. Es gibt Frauen mit Migrationshintergrund, Transsexuelle Frauen, Homosexuelle Frauen oder Frauen die sich prostituieren. Der Zeitgenössische Feminismus, der sich vor allem in sozialen Netzwerken, Foren etc. verbreitet, trägt die Idee dass es kein einheitliches ideales Frauenbild mehr geben muss. Jede Frau ist einzigartig, daher darf es unendlich viele Frauenbilder geben und vielleicht existiert das „Frauenbild“ nicht mehr.
1 De Beauvoir, Simone: The Second Sex. New York 2012, S. 78.
2 De Beauvoir, Simone: The Second Sex. New York 2012, S. 170.